"Warum gerade Riga, was gibt es da zu sehen?" "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber jetzt ist es zu spät, in einer Stunde geht unser Flug und dann gucken wir mal". Wir sitzen am Flughafen
Atatürk in Istanbul und warten auf unseren Flug nach Lettland. Suse wollte ursprünglich nach Lissabon mit anschließender Wanderung auf Madeira. Warum wir uns im Endeffekt für Istanbul und Riga
entschieden, kann ich heute nicht mehr sagen. Kein Reiseveranstalter würde diese Konstellation in sein Programm aufnehmen, zu gegensätzlich sind beide Städte. Zumal es erst April ist und die
Wetterfrösche für Riga 2°C und Schneeregen prophezeien. Mich hat Riga schon länger interessiert. Von einem der jüngeren Mitglieder der EU erhoffe ich mir noch etwas Ursprüngliches zu finden,
bevor auch hier globalen Geschäftsketten das Stadtbild verändern. Ist ja wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Viel weiß ich nicht von Riga, aber es ist ja auch mal schön nicht schon vor der
Anreise jedes Detail aus den Reiseführern zu kennen.
Als wir auf der Landebahn, wenige Kilometer außerhalb der Stadt landen, sehen wir erst einmal Wald aber kein Gate. Oh geht ja gut los! Der Flughafen wird gerade aufwändig erweitert. Er ist
überschaubar, die Zöllner sind freundlich, unser Gepäck ist nach zwei Minuten da und vor der Tür wartet unser Bus der Linie 22. Perfekt!! In den Vororten scheint die Zeit
noch stehengeblieben zu sein. Die Straßen werden dominiert von wunderschönen alten Holzhäusern. Anfangs sehr verfallen, je näher wir dem Zentrum kommen, um so schöner restauriert.
Um ein Hotel hatte ich mich schon vor unserer Ankunft gekümmert. "Nah der Altstadt" soviel wusste ich noch, aber irgendwie stecke ich noch in meiner istanbuler Gelassenheit und dachte " Irgendwie finden wir das schon. Riga ist auch nur ein Dorf". Nachdem wir über die Vansu-Brücke die Düna überquert haben, steigen wir aus und stehen unerwartet vor unserem Hotel. Das läuft alles viel zu glatt, aber so what.
Die berühmte Altstadt ist überschaubar aber wunderschön. Was mir sofort auffällt ist die Detailverliebtheit der Gastronomen und Boutiquebesitzer. Nie hätte ich hier so viele kreative Bars und Cafes erwartet. In einer kleinen dunklen Gasse pfeift mir aus einem Scheunentor ein Kerl mit Lederhaube nach, winkt mich zu sich. Auch meine Mutter hat mich gewarnt, nicht mit Fremden mitzugehen, aber hier wittere ich Spannendes.„Please come in" „Ok and what are you doing here? Woodcraft?" „No this is my restaurant" .Was???. In der vermeintlichen Scheune führt uns eine steile Treppe in die Unterwelt, in eine ganz andere Welt. Ein riesiges mittelalterliches Restaurant verbiergt sich hier, beleuchtet nur mit Kerzenlicht. Hunger haben wir noch nicht, aber hier müssen wir essen. Die Detailverliebtheit geht so weit, dass ausschließlich Zutaten verarbeitet werden, die es auch im mittelalterlichen Riga gab. Kann ich Euch nur empfehlen!!!
Die Gassen und Plätze sind beeindruckend. Wie schön muss die Stadt erst im Sommer sein, wenn man draußen sitzen kann? Aber es ist April und solche Temperaturen erfordern andere chillige Plätze am
Abend. Etwas außerhalb der Altstadt, vorbei an der orthodoxen Kirche, ist das Radisson Blu. Die Bar des Radisson im 26. Stockwerk, ist die beste Möglichkeit sich bei einem Bier die Stadt genauer
anzusehen. Ein sehr gepflegter Park zieht sich als grüner Gürtel um die Altstadt. Im Park findet Ihr zwei Teepavillons. Man liegt auf bequemen Kissen vor einer großen Glasfassade, trinkt seinen
Tee und beobachtet das Treiben im Park.
Morgen soll das Wetter besser werden. Unsere Chance nach Sigulda zu fahren. Sigulda, 50 km vor der Stadt, ist bekannt für seine Burgen und gilt als Tor zum Gauja Nationalpark. Öffentliche
Verkehrsmittel sind hier in Lettland unheimlich günstig und sehr nostalgisch.Mit dem Bus fahren wir durch ausgedehnte Wälder Richtung Norden. Die Autobahnen scheinen noch aus Sowjetzeiten zu
stammen. Immerwieder hält der Bus mitten auf der Autobahn um Leute einsteigen zu lassen. Die Dörfer mit ihren Holzhäusern verstecken sich förmlich in den Birkenwäldern. Keine Fläche wurde
gerodet, lediglich nur soviel Platz, dass die Häuser unter die Bäume passen. Von den Häusern aus führen Trampelpfade durch den Wald zur Autobahn. Authentisches Leben. Wer das authentische Leben
eines Landes sehen und fühlen will, sollte einen Nachmittag lang die Stadt verlassen und mit Arbeiterbussen in die Dörfer der Gegend fahren. Ich finde es super.
Sigulda ist auf den ersten Blick nicht besonders schön. Zumindest jetzt im April. Wir laufen durch die Straßen des Ortes in Richtung Burgen und Nationalpark. Die erste Burg ist grauenhaft
hässlich restauriert und wenn man einmal andere Burgen gesehen hat, auch nicht den schrägen Eintrittspreis von 1,14€ wert. Man hat sich bemüht die Geschichte zu rekonstruieren, aber das alte
Gemäuer mit neuen roten Backsteinen verschandelt. Auf einem kleinen Gehöft glaube ich auf einem Schild das Wort "SandArt" entziffern zu können. Kunst ist immer gut!!! Im Kellergewölbe des Hofes
hat ein sympatischer Sandkünstler sein Atelier eingerichtet. Er porträtiert uns mit verschiedenen Alltagsgegenständen in Sand.
Der Nationalpark ist im Sommer bestimmt schön, jetzt im April wirkt er nicht so einladend. Auch unsere Wanderungen sind etwas schwieriger als gedacht, denn Wanderweg sind Mangelware, enden manchmal abrupt und verläuft meistens an viel befahrenen Straßen entlang. Trotzdem war es schön hier rauf zu fahren. Ich komme irgendwann im Sommer zurück.
Mein Eindruck von Riga
Mir hat Riga unheimlich gut gefallen. Riga ist bisher noch unverfälscht. Die uralten Holzhäuschen mit ihrer Patina ragen bis in die Innenstadt. Vorallem die Kreativität der Menschen hebt Riga von manch anderen Städten ab. Wie schon erwähnt waren wir im April dort. Das war spontan und Ok, aber um die Vielfalt der Stadt und den Strand von Jurmala zu genießen, müsst ihr im Sommer hin. Ich werde irgendwann noch einmal im Sommer zurückkommen, ganz sicher.
Hi ich bin Jens. Ich reise schon mein ganzes Leben. Anfangs zeigte mir meine Familie Europa, später musste ich raus in die Welt. Ähnlich wie die meisten Menschen, beschränken sich meine Ausbrüche aus dem Alltag auf wenige Wochen im Jahr. Mit meiner Seite möchte ich Euch zeigen, dass es manchmal nicht soviel Zeit und Geld braucht, um ferne Länder zu entdecken. Seit zwölf Jahren reise ich mit meiner Freundin Suse. Zusammen suchen wir abseits, manchmal parallel der gewohnten Touristenpfade nach authentischen Orten und Kulturen. Wir lieben es zu wandern und abends in unserem Zelt unsere Freiheit auf Zeit zu genießen.